Schöner scheitern? Zu Hause rudern mit dem Waterrower.

Waterrower Armada von oben. Metall oder doch lieber eine der Holzvarianten? Der Kunde hat die Qual der Wahl. Foto © NOHRD

Der Dadbod. Junggebliebene und altgewordene Väter feiern ihn in den sozialen Medien. Der Dadbod ist eine Art Zugewinn, und zwar an Leibesfülle, vor allem in den Regionen um den Bauchnabel herum. Ein Dadbod entsteht ungefähr ab der Geburt des ersten Kindes. Er wird dann gerne gepaart mit einem Bart. Und einer Bierdose in der Hand. Für’s stimmigere Bild. Oder mit zerzausten Haaren. Müdem Blick. Und einer Mimik, die sagen will: früher oder später erwischt er Dich auch. Es gibt zwar auch Varianten mit Muskelbergen. Aber um die geht es hier nicht.

Der Dadbod hat mich erwischt. Und wie. Aber ich will ihn nicht posten, sondern wieder loswerden. ASAP. Denn der Dadbod ist keine Erfindung von Instagram. Er ist Realität. Schon vom ersten Tag des Vaterseins an fiel meine zuvor noch so routiniert geordnete Welt um mich herum in sich zusammen wie ein Kartenhaus, das von einer vollgesogenen Windel erschlagen wird. Die gut gepflegte Selbstbeherrschung, der Anspruch, wenig und gut zu essen und dabei regelmäßig sportlich aktiv zu sein – all das griff nicht mehr. 

Es muss um den dritten Monat nach der Geburt des Kinds gewesen sein, als sich das weiße slim-fit Herrenhemd zum ersten Mal dort spannte, wo ich es nicht erwartet hatte. Im oberen Drittel, wo sich sonst um die stolzgeschwellte Brust herum gerne die Knöpfe im Knopfloch dehnten und Muskelpakete suggerierten, war nun erstaunlich viel Luft. Dafür hing das Bauchfett satt im Stoff, den ich routiniert aber mit etwas mehr Mühe als sonst in die Hose gestopft hatte. Die Waage zeigte 4 Kilo über Normal an. Was war passiert?

Achja richtig, ich war Vater geworden. Ein an sich tolles Ereignis. DAS Ereignis. Aber seitdem ist nichts mehr, wie es mal war. Lockere Abende vor‘m Fernseher? Nie mehr erlebt. Ausschlafen? Was war das nochmal? Frühsport? Keine Chance. Ausgehen, so oft und so intensiv wie man will? Nope. Mit dem Kumpel auf ne längere Radtour? Keine Zeit. Zwischendurch mal Liegestützen? Zu müde. Radfahrend ins Büro? Ja genau. Joggen gehen vor‘m Einschlafen? Vergiss es. Wobei, doch, das habe ich einmal ausprobiert, aber einmal ist bekanntlich keinmal. In Ruhe diesen Artikel schreiben? Pustekuchen. Die eigene Deadline, die ich mir vor 6 Monaten gesetzt hatte, ist schon lange abgelaufen. Das Kind hat oberste Priorität.

Hantelstage und Waterrower – eine Kombo mit Dreamteam Potenzial. Man muss es nur nutzen.

Dass wir uns nicht falsch verstehen: Mit meinem ersten Kind kamen Glück, Freude und Lebendigkeit ins Haus. Er ist das tollste, was meiner kleinen Familie passieren konnte. Mit Abstand. Und jetzt kommt das aber: Aber Vater sein, das ist in den ersten Monaten  (und womöglich darüber hinaus) auf trügerische Art und Weise hinterhältig. Es läßt einen denken, dass man immer auf zack ist, stets bemüht, aktiv und beweglich. Weil man sich ja kümmern will. Und muss. Weil das Leben Kopf steht. Weil das Kind nicht das macht, was man will. Weil jeder Tag anders ist. Und trotzdem oft auch gleich. Geschröpft von durchgemachten Nächten war ich ohne mich zu versehen im Strudel der Dadbod-Werdung gefangen. Dabei stand die grundlegende Faustformel des Dickwerdens von morgens bis abends auf dem Programm: Wenig Bewegung und zuviel zu essen.  Die überhöhte Kalorienaufnahme (wie oft habe ich den verschmähten Brei meines Kinds selber gegessen) kam schleichend aber intensiv. Das unregelmäßige Essen, mal aus Frust, mal aus Langeweile, mal aus Gewohnheit, das Glas Bier vor’m Fernseher, wo auch die verführerische Nussmischung stand, führten zu DEM neuen Körpergefühl, das mürbe und träge macht, es führte zu einem Zustand, dem man mit Anfang 40 nur noch schwer entkommen kann: genau, dem Dadbod.

Aber sich sehenden Auges ins Verderben mampfen, das konnte es auch nicht sein. Aufgeben ging nicht. Aber was soll man auch tun? Fitnessstudios sind keine Lösung, fand ich. Ich habe mich da noch nie gern aufgehalten. Und man muss ja auch erst mal dorthin hinkommen, ganz zu schweigen von den stundenlangen Gedanken ans Aufraffen und Sporttasche packen. 

Bis mir eines Tages die Idee kam, wie ich a) zu Hause bleiben und b) dabei Sport machen konnte, ohne dass c) das ganze Haus alarmiert wird oder d) ich im Keller einen Punchingball aufstellen musste.

Die Antwort hieß: Rudergerät. Aber nicht irgendein schäbiger e-Row 2000 Apparat aus dem Discounter, nein, ein Waterrower sollte es sein. Ja, genau der. Dieses schicke Fitnessgerät aus Holz, mit dem elegant abgerundeten Wasserbottich, das einem durch das Plätschern des Wassers das Gefühl vermitteln sollte, tatsächlich zu rudern (auch wenn man sich keinen Meter von der Stelle bewegte). Ein Waterrower sieht gut aus, wer was auf sich hält, stellt ihn sich bei Nichtnutzung einfach hochkant an die Wohnzimmerwand und erzählt Gästen bei einem Glas guten Rotwein von seinen Bestzeiten. Ein Eyecatcher mit Statement: In diesem Haus wohnt ein Ruderer. Selbst bei Manufactum vertreiben Sie das naturverbunde Designergerät. Ein Ritterschlag für so ein Sportgerät. Die Elite rudert. Und wie.

Ein Waterrower kommt in zweieinhalb Paketen. Ob der Bote beim Schleppen hilft, ist Verhandlungssache.

Beim Blick auf den Preis wird sich der ein oder andere ambitionierte Ruder-Amateur aber wohl die Augen reiben: zwischen 1.000 und 2.500€ drückt man nicht mal eben so ab. Das sind viele Monate Privatkurs im besten Fitnessstudio der Stadt. Dazu kommt: die Motivation mag ja anfangs noch hoch sein. Aber oft verlieren diese Geräte mit der Zeit auch ihren Reiz, sobald man es einmal einreißen läßt. Ich rede aus Erfahrung, auf meinem Kleiderschrank verstaubt gerade eine Klimmzugstange, vor der Heizung vegetiert eine Hantelstange vor sich hin. Aber die waren auch verhältnismäßig günstig.

Die Lösung für diese Zwickmühle lautete: mieten. Der Hersteller hatte wohl erkannt, das viele Kunden bei der unverbindlichen Preisempfehlung erstmal Schnappatmung kriegen. Also wurde ein risikofreier Appetitmacher geschaffen: der Waterrower als Leihgerät. So läßt er sich für knapp 10 € EUR in der Woche mieten. Hat man Blut geleckt, könne man das Gerät zu einem vergünstigten Preis erstehen.

Perfekt geeignet für die Mietwohnung? Der Mietwaterrower. Foto © NOHRD

I’m in! 

“Drei Monate Mindestmietdauer” stand im Kleingedruckten – das finanzielle Risiko dahinter erschien überschaubar. Also bestellte ich mir ohne zu zögern ein Exemplar im Eichenlook und kaum war es in zwei Paketen geliefert und mit wenigen Handgriffen aufgebaut, konnte das Abenteuer vom Rudern daheim beginnen.

In meiner Phantasie sah es so aus: Mutter erholte sich von den Strapazen des Mutterseins, Vater legt das Kind ins Körbchen neben dem Waterrower, und schwuppdiwupp! vom beruhigenden Plätschern des rudernden Vaters würde das Kind einschlafen und erst wieder aufwachen, wenn Papa fertig war mit seinem Workout.

Eins vorweg: dazu kam es nie. Nicht ein einziges verdammtes Mal. Ich hatte den Rower in meinem Arbeitszimmer aufgebaut und zu jeder einzelne Session schloss ich die Tür hinter mir und war alleine. Alleine mit meinem Dadbod, dem Waterrower und der nicht mal eben so aus der Hand geschüttelten Rudertechnik.

Auf dem Weg zur Strandfigur. Vielleicht. 

Denn Rudern ist eigentlich einfach. Eigentlich. Man zieht in diesem Fall über ein Griffstück an einem Band, dass die Paddel bewegt, die dann in dem kleinen, halb gefüllten Plastikaquarium am Fuße des Geräts vor sich hin rotieren. So easy. Es funktioniert auch, direkt, bei jedem, garantiert! Schon nach wenigen Bewegungen, hin und her, einem intuitiven Bewegungsablauf folgend, kommt selbst der ungeübteste Ruderer schnell ins Schwitzen. Kein Wunder, animiert das Rudern doch angeblich 80% der menschlichen Muskulatur. Ein geniales Ganzkörpertraining, einfach, umweltbewußt und: bequem. Schließlich kann man dabei sogar sitzen bleiben.

Aber dann holt sie einen doch ein, die Technik, und zwar die falsche, wenn die Arme beim Zurückrudern über die bereits gekrümmten Knie stolpern, der Rücken krummgebogen kauert und das Seil schlackert wie ein betrunkenes Lasso. Mein Sohn, der sich das mal aus sicherer Entfernung angeschaut hatte, gluckste nur unbeeindruckt, beim Blick auf seinen unbeholfenen Vater. Ich dagegen schaute online nach, wie man es richtig machen musste. Gottseidank existieren unzählige Videos zur richtigen Rudertechnik, manche davon sind sogar halbwegs lehrreich (Achtung: andere sind es nicht). 

Das langsame Herantasten an den richtigen Bewegungsablauf schulte mein Auge und die nun immer besser koordinierten Schwünge. Mein Rudern wurde flüssiger, ich kam mir kurzzeitig vor, als wäre ich selber auf dem wenige hundert Meter neben der Wohnung fliessenden Rhein unterwegs, aber es war dann doch nur der Schweiß, in dem ich badete. Sommer 2018. Die brütende Hitze war auch in meinem Arbeitszimmer angekommen und Abhilfe schafft nur ein flugs aufgestellter Ventilator. Es kam mir wie eine Genugtuung vor, das Rudern auf diesem niederen Niveau zu beherrschen. Die Smartwatch, mit eigenem Ruderprogramm und Brustgurt zur Pulsmessung, zeigte mir sogar den Kalorienverbrauch an. Auch der Waterrower hatte einen Bordcomputer, eine Anzeige mit den Hinweisen auf Schlagzahl und geruderten Metern. Wer sich nach Studium der Bedienungsanleitung die Tastenkombinationen für die diversen Trainingsprogramme erarbeitet hatte, konnte sogar wie ein Profi trainieren. Die Tastenkombinationen erforderten zwar kein Informatikerdiplom, aber intuitiv waren sie auch nicht. Weswegen ich sie nicht nutzte und weiter wie ein Amateur trainierte.

Der Bordcomputer. Kann alles, außer Kochen.

So ging das eine Weile und einige rudernde Meter, bis ich es tatsächlich irgendwann – früher als befürchtet – satt hatte, mich zu den doch etwas monoton gewordenen Rudereinsätzen aufzuraffen. Die gefährliche Phase des Desinteresses an meinem vermeintlichen Dadbod-Killer lugte um die Ecke. Der innere Schweinehund war zurück. Er hatte Tiefkühlpizza und Couch im Blick. 

Doch ich gab nicht auf. Ich war gewillt, dagegen anzukämpfen, wollte mich nicht unterkriegen lassen oder riskieren, durch eigene Faulheit in Lethargie zu verfallen. Also zog ich neue Saiten auf, steckte mir Bluetooth Kopfhörer in den Gehörgang und ruderte oberkörperfrei. Und das half! Die Berieselung von Podcast-Infos übers Ohr, der das Körperfett bedeckende Schweißfilm – es fühlte sich an, als sei ich endlich im Flow. 

Mein Programm aber, seien wir ruhig ehrlich, blieb ermüdend langweilig. Immer nur von 0 auf XXX Meter zu rudern, kickte mich nicht mehr, egal ob Bestzeiten dabei rumkamen oder nicht – es war eine etwas triste Angelegenheit geworden und ich stellte das Geräte frustriert mehrere Tage ungenutzt in der Ecke ab.

USM-Regal und Waterrower: Zwei Designerstücke im Stand-By Modus.

Die Tage vergingen. Die Mindestmietdauer war bereits verstrichen, was ich so gekonnt ignorierte, wie die Infopostsendungen für ADAC Zusatzversicherungen. Ich hätte das Gerät schon längst zurückschicken können, aber ich tat es nicht. Aus Faulheit. Desinteresse. Ignoranz. Oder weil in mir die Hoffnung keimte, ich würde vielleicht doch noch ein Ass im Ärmel haben, um ein Comeback auf der schicken Rudermaschine zu feiern.

Und genau so kam es. Auf Instagram, ja genau, dem Kaleoidoskop der Dadbod-Vertreter, war ich einem Account gefolgt, der echte Workouts postete. Nicht das profane “von Start ins Ziel”-Programm, sondern: Intervalltrainings! Und was für welche. Die hatten es in sich. Da blieb keine Zeit für Podcasts im Ohr, mir blieb nicht mal mehr Luft in der Lunge zum Atmen nach einer dieser kraftvoll weggeruderten 1000 Meter-Strecken mit Maximalpuls und der Zunge zwischen den Kniekehlen. Das Rudern: Es hatte mich wieder. Verausgabung. Pause. Verausgabung. Pause. Zack, war eine halbe Stunde rum. Die Intervalltrainings nahm der Sache das zähe vor sich hin stieren, ich vergaß die eigene Einsamkeit des Langstreckenruderers und kramte das letzte Quäntchen Ziehmoment aus Beinen und Rücken. Ich war kurz davor das Gerät zu kaufen. 

Knapp vorbei an einer gelungenen Integration des Laptops.

Bis ich eines Tages die dazugehörige Software entdeckte. Tatsächlich ließ sich – nein kein Tablet oder TV – lediglich ein Laptop mit dem Waterrower verbinden. Das firmeneigene Programm namens WeRow zeigte dann Leistungsdaten und einen stilisierten Ruderer von oben, eine Art Strichmännchen auf einem Boot, das sich mitbewegte, sobald man selbst anfing zu rudern. Abgesehen davon, dass mich der Blick auf den kabelgebundenen Laptop irritierte, den ich aus Mangel an Alternativen ungeschickt auf einem Karton neben dem Geräte abstellen musste, motivierte mich das Programm nicht eine Sekunde. Gut, ich hätte wohl ein Duell mit einem virtuellen Werow-Ruderfreund ausfechten können, aber ich hatte keinen. Also stöpselte ich den Laptop wieder ab. Die Paddel rührten sich nicht mehr. Stille. Die Einsamkeit des Langstreckenruderers. Da war sie wieder.

Zwift und ähnliche Programme vermitteln mehr digitale Motivation.

Wer das Heimtraining auf dem Rennrad kennt, weiß, dass es besser geht. Ein Programm wie Zwift zum Beispiel führt einen über ein verbundenes Radmodul per TV-, Laptop- oder iPad-Anzeige real wirkende, jedoch virtuell erstellte Berge hinauf. Oder, wenn man’s mag, durch fantastisch animierte Straßen einer hawaiianischen Insel. Lavaspuckende Vulkane inklusive, vorbei an digitalen Mitfahrern aus dem Web, oder einfach gegen die Zeit. Dagegen wirkt das pixelig zappelnde Strichmänchen von WeRow wie ein verstaubtes Level aus einem 80er Jahre Arcade Videospiel.

In diesem Punkt enttäuschte mich der Waterrower etwas, denn in Sachen digitaler Motivation und Animation habe ich mir deutlich mehr virtuellen Spass beim real existierenden Rudern erhofft. Das Potenzial dazu hätte dieser Sport. Per Bluetooth-Verbindung und Monitor vor der Nase durch den Amazonas, vom Nil ins Mittelmeer, vorbei an den Pyramiden, bis an die Kante der Niagarafälle oder einmal durch die Schären rund um Stockholm. Oder mein persönlicher Klassiker: ganz einfach von Düsseldorf nach Köln. Vielleicht kommt sowas ja bald, mit den Siegeszug der virtuellen Realität. Brille auf und ab dafür. 

Vielleicht passt es aber auch nicht zur Einfachheit des Waterrowers, diesem edlen Gerät, das das Plätschern von Wasser ausserhalb von Toiletten salonfähig gemacht hat. Das muss wohl jeder für sich entscheiden.

Der Grund für das zwischenzeitliche Ende meiner Einsätze am Rudergerät. Aua.

Fussnote: Mich ereilte etwa um Monat 5 der Miete herum eine böse Fußverletzung außerhalb des Spielfelds. Die Zwangspause vom Sport nährte einerseits erneut meinen Dadbod. Anderseits war es spätestens jetzt an der Zeit, das Gerät wieder zurückzuschicken. Und so kam es. Ein UPS Wagen holte die sorgsam gepackten Pakete ungerührt ab. Ich schluckte. Und humpelte erstmal zur Süßigkeitenschublade.

Damit war es also vorbei, mit dem Rudern in den eigenen vier Wänden.

Wobei: vielleicht doch nicht. Denn da wäre ja noch meine Frau. Sie hatte sich während der gesamten Mietdauer nur sporadisch mit dem Gerät auseinandergesetzt. Bis sie vor einigen Tagen überraschend ihr Interesse daran bekundete: Sie sei überzeugt davon, dass es ab sofort Sinn ergeben würde, mit dem Rudern zu beginnen. Auf einem Waterrower. Nicht gemietet. Gekauft! Wo er genutzt werden soll, steht auch schon fest: im Wohnzimmer. Vor dem Fernseher.


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